Diethelm & Mumprecht Architektur . photos: © Diethelm & Mumprecht Architektur
In der Forch ist im Park der Zollinger Stiftung eine Seniorenresidenz mit 35 Wohnungen entstanden. Die Wege des Parks führen durch das Haus hindurch und kreuzen sich im Kern bei zweien ineinander verwundenen Treppenhäusern. Die in den Knoten erscheinenden Speier vollenden in Blütenform die Analogie des Hauses zur Pflanze.
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Mit der Seniorenresidenz der Gustav Zollinger Stiftung ist in der Forch im stiftungseigenen Park ein Neubau mit Wohnungen entstanden. Es handelt sich um eine Bauaufgabe, wie sie viele andere Gemeinden kennen und die eine grundsätzliche Frage zur Massstäblichkeit stellt: wie kann eine grosse Zahl Wohnungen so gebaut werden, dass deren Erscheinung den Massstab des umliegenden dörflichen Körpers nicht sprengt?
Drei Qualitäten werden vorgefunden: die umliegende Ein- und Mehrfamilienhausbebauung, die Grossform des bestehenden Alterszentrums und der Park, zu dessen Vermehrung sich das Projekt schliesslich verpflichtet.
Der Park der Zollinger Stiftung ist Teil des sanft abfallenden Hügelzuges, der sich bis zum Greifensee hin erstreckt.
Die Gestaltung des Parks kann durch drei unterschiedliche Bereiche charakterisiert werden, die räumlich ineinander vermitteln.
Ein erster, stärker abfallender und spärlich bewachsener Teil grenzt an die Aeschstrasse und an das bestehende Alterszentrum. Daran anschliessend folgt ein mit leichten Kuppen und darum herum führenden Wegen versehener Bereich, der als Rundgang konzipiert ist. Ein Eselgehege, Kunstwerke und verschiedene Sitzmöglichkeiten bieten hier Abwechslung.
Dieser Raum unterscheidet sich deutlich von dem dritten Teil der Anlage, dessen Schönheit in seiner Verwilderung liegt.
Er besteht aus einer dichten Anordnung von Bäumen, die einerseits dem Bach folgen, andererseits eine Lichtung um einen idyllischen Vogelteich herum bilden. Es handelt sich um eine einprägsame Szenerie, die einen Hauch Romantik versprüht. Der Übergang zur Landschaft ist dadurch auf eine selbstverständliche Art gelungen und erweitert den Park mit einer unscharfen Grenze in die daran anschliessende “freie” Natur.
Die beschriebene Dramaturgie – von Künstlichkeit zu Natürlichkeit – kann von den Bewohnern und Besuchern unmittelbar nachvollzogen werden.
Diese dreiteilige Gliederung des Parks ist durch die geschickte Setzung des Hauses erst möglich geworden und lässt zusammen mit dem bestehenden Pflegezentrum einen Hof entstehen.
Die Form des Hauses folgt dabei dem Prinzip des Kreises, das aus dem bestmöglichen Verhältnis von Umfang zu Fläche besteht. So sind um einen Kern herum auf vier Geschossen jeweils 9 Wohnungen ringförmig angeordnet. Die so erwirkte Abwicklung der Fassaden lässt das Haus kleiner erscheinen, indem es von keiner Stelle aus in seiner Grösse ganz wahrgenommen werden kann.
Der Kreis löst zudem den Widerspruch, dass ein Neubau den Wert des bestehenden Parks mindert, mit der Freistellung des Körpers auf.
Es überrascht, dass drei Hauseingänge die Wege des Parks aufnehmen und durch das Haus hindurch führen. Wo die Wege sich im Kern kreuzen – kurioserweise just an der Stelle der vormaligen Wegkreuzung – ist die eigentliche, räumliche Wurzel der daraus erwachsenden Architektur gebildet: zwei sich ineinander windende Doppelhelix-treppenhäuser, die zwischen den verschiedenen Geschossen des Hauses vermitteln. Der Kern oder Stamm wird dabei als eine Symbiose aus “eingefrorener” Parknatur und einem neuen Wegnetz im Innern des Hauses begriffen. Die Wege im Erdgeschoss führen von den verschiedenen Teilen des Parks ins Innere des Hauses, wo sie den Fitnessbereich, die Arztpraxis und den Kellerbereich erschliessen. Wer sich einem der drei Hauseingänge nähert, wird von der Visitenkarte des Hauses, der Sonnerie, begrüsst. An der Briefkastenanlage vorbei reicht der Weg zu einem der Tageslicht führenden Atrien im Zentrum des Hauses. Dort befindet sich die Lobby mit Cheminée, das in der kälteren Jahreszeit zur Entfachung eines wärmenden Feuers ermuntert. Zwei mit Leder ausgekleidete Liftkabinen vermitteln zwischen dem Keller, dem Erdgeschoss und den Wohnungen in den vier Obergeschossen.
Die Wahl, aus den verschiedenen Wegen durch den Park den “eigenen” Weg zu wählen, wird als ein hohes Gut bewertet. Im Innern des Hauses ist diese Qualität weiter entwickelt mit erlebnisreichen Wegen. So windet sich in den Obergeschossen der Korridor um die beiden Atrien herum, entlang des Lichts finden die Bewohnerinnen oder Besucher die Eingänge zu den einzelnen Wohnungen.
Das Prinzip der Wege findet seinen Abschluss im Innern der Wohnung.
Allen Wohnungen gemein ist neben den grosszügigen Schnitten und der altersgerechten Gestaltung, dass sie aus zwei unterschiedlichen Raumgruppen bestehen: Eine erste Wohn- und Balkonschicht wendet sich der Fassade zu. Sie kann in verschiedenen Rundgängen durchlaufen werden und löst die Kategorien von Innen und Aussen auf.
Eine zweite Raumgruppe, die Nebenräume wie Dusche, Toilette und Réduit umfasst, ist dem Gebäudekern zugeordnet. Das Entrée, welches durch den Garderobenschrank vom Wohnen getrennt wird, ist Mittlerin zwischen dem Korridor und der privaten Wohnung. Die offen konzipierte Küche ist selbstverständlicher Teil der Wohnzimmermöblierung.
Sie bildet zusammen mit der Sitznische im Fenster eine charakteristische Eigenart dieser Wohnung.
Das aussen angeschlagene Fenster lässt im Innern eine Fensternische entstehen, die zum Sitzen einlädt oder Platz für den kleinen Gewürzgarten bietet. Der Park erscheint zwischen den im Licht kontrastierenden Betonschildern wie ein gerahmtes Gemälde.
Der zusätzliche Raum der 3.5 Zimmerwohnung ist ebenfalls vom Wohnzimmer her erschlossen und kann mit der Schiebetür entweder zur Vergrösserung des Wohnzimmers beitragen oder abgetrennt Gästezimmer oder Büro sein. Das Schlafzimmer ist sowohl vom Gang aus als auch durch das Büro hindurch mittels einer Schiebetür zugänglich. Die dadurch entstehende Enfilade bereichert die Wohnung um einen weiteren Rundlauf.
Douglasie formt die innere und äussere Fassade der Wohnungen. Beidseits bilden sich Nischen aus, die die einzelnen Wohnungen ablesbar machen und ihnen ihre Adresse geben; im Innern sind es die Wohnungseingänge, im Äussern die Loggien, die an die umlaufende Balkonschicht angrenzen.
Vom Fundament führt grober Ortbeton in den Kern, den Stamm, wo er sich über die Decken bis zu den Balkonen hin erstreckt und sich dort in den äussersten Blättern, den vorgefertigten Betonschildern, allmählich in feinster Form auflöst. Die in den Knoten erscheinenden, golden glänzenden Speier aus Messing vollenden in Blütenform die in dieser Idee aufgehobene Analogie zur Pflanze.
Fein ausgearbeitete Details wie der speziell für das Haus entworfene Handlauf und dessen grosse Bruder, der Griff der Hauseingangstüren, die Ledergriffe der Schränke in den Wohnungen oder die Sonnerien entspringen der Überzeugung, dass der architektonische Reichtum in der Dichte zu suchen ist. Gleichzeitig klingt mit der gewählten Formensprache eine motivische Dimension an, die ihren Ursprung in der Welt des Parks findet.
Vom Städtebau zum Speier, von der Ferne über den Baukörper und bis in die Nähe des Details folgt die Formgebung dem Diktum des Parks – der freigestellte Baukörper, die gegliederte Fassade und das architektonische Detail.