0

Peter Moor

New swimming pool . Appenzell

Peter Moor Architekt

The region of Appenzell shows a wide tradition in bathing culture. Many small baths created for well-being have existed for centuries. The new public bath of Appenzell is something like a flagship in this landscape. With its wooden facade it reflects the local tradition of timber construction and as a public bath including a wellness zone, it creates a new impulse for the whole bathing culture of Appenzell.

The shape – with its three arms – operates like a windmill and enters into dialogue with its surroundings in an adequate scale. While a concrete core in the middle contains the staircase and some central rooms, like the lifeguard-room, the arms act as units for multiple uses like wardrobes, a beginner’s pool and a large pool. While the room with the large pool is two-storey high, the saunas and wellness wardrobe are located above the small pool. In that way the floorplans look similar to each other. With this simple arrangement the way to the main swimming hall spins around the core. While entering the baths the view through the big swimming hall draws the gaze to the hills of Appenzell.

The timber construction with its external supporting structure becomes the facade. Besides these structural openings, the side facades have a big scale wooden cladding which is the traditional design motif of the Appenzell architecture.
_

 

EQUILIBRE
Architektur und Einpassung am Ort
Das neue Bad in Appenzell bietet eine grosse Chance für die ganze Region. Es knüpft an die Appenzeller Badetraditionen an und nimmt durch seine Lage und seine Grösse eine Hauptrolle unter den lokalen Bädern ein. Sein Erfolg fusst auf den traditionellen kleineren Heilbädern und zugleich interagiert es auch wieder mit diesen und tritt mit seinem modernen Holzbau werbewirksam für eine neue Bäderkultur auf. Als Haupthaus verleiht es der Thematik etwas Majestätisches und versprüht zugleich filigrane Leichtigkeit und Eleganz.
Reminiszenzen an die ortstypischen, kassetierten Fassaden schaffen den Bezug zum Ort und eine neue Interpretation von architektonischen Charakteristika. Das neue Bad in Appenzell sucht das Gleichgewicht zwischen stolz und einfach, zwischen Tradition und Moderne, zwischen Vergangenheit und Zukunft – Equilibre. Ganz im Sinne dieses Gleichgewichtes steht auch die städtebauliche Form: Wie ein Puzzlestück fügt sich die neue Volumetrie zwischen den benachbarten Bauten in die heutige Situation ein. Seine windradartige Form sucht den Dialog, füllt die Lücke auf und fungiert als Gelenk zwischen den grossmasstäblichen Bauten entlang der Hauptstrasse. Dank der Gliederung entsteht eine masstäblich verträgliche Situation; überdies bieten die drei bzw. vier in sich verschmolzenen Körper eine ideale Figur für die räumliche Aggregation des geforderten Raumprogrammes. Ein massiver Sockel bildet eine solide Basis für den 2-geschossigen Holzbau. Vertikal betonte aussenliegende Tragstrukturelemente betonen das Emporstrebende. Ein weit ausladendes Flachdach bildet wie ein Kapitel den klassischen Abschluss.
Die Umleitung des Küechlimoosbaches wurde genutzt zur Aktivierung des südwestlichen Aussenraumes: Ein natürliches Kneippbecken mit Flusskies-Trettmassage erstreckt sich entlang der Sitzstufen. Auf diese Weise bietet das Bad Appenzell sowohl in der kalten Jahreszeit als auch in der Übergangszeit einen attraktiven Aussenraum, stets mit Blickbezug zum Dorf und zu den Bergen. Die Zugangssituation erfolgt von der Sitterstrasse her. Der Parkplatz wurde an seiner ursprünglichen Stelle belassen aber komplett umgestaltet und sanft in die leicht abfallende Topografie eingebettet.

Funktionalität und Materialität
Die Nutzungsverteilung liess sich mit dieser städtebaulichen Ausgangslage ideal umsetzen. Ein zentraler Eingang schafft eine klare Adresse. Ein massiver Kern in der Mitte reguliert die angrenzenden Nutzungsgruppen; mit dem Bademeisterbüro in dieser Mitte kann auf einfache Weise das gesamte Bad und der Kassenbereich kontrolliert werden. Ausgehend vom grosszügigen Entrée mit der Kasse gelangt man in den Nordflügel mit den Garderoben. Die Föhnstation profitiert vom Tageslicht und vom Ausblick. Die introvertierten Garderoben leiten einen über zu den Duschen und weiter in Richtung Kern, welcher überleitet in den Westflügel mit dem Nichtschwimmerbecken. Die grosszügige Vorplatzzone lässt Raum um Übersicht zu gewinnen. Letztendlich öffnet sich der Raum über den 25m-Pool zur grossen südlichen Verglasung hin. Auf einfache Weise wickeln sich die vier Hauptnutzungen (Entrée, Garderoben, Nichtschwimmerbecken, Schwimmerbecken) um den mittigen Kern ab. Die Wellnessangebote erreicht man über das introvertierte Treppenhaus, welches sich erneut nach Norden hin öffnet und in diesem Flügel wiederum die Garderoben mit den Massageräumen an der belichteten Fassade beherbergen. Ähnlich der Drehbewegung im Erdgeschoss gelangt man auch hier um den mittigen Kern in den Westflügel mit den Saunas. Den Saunas vorgelagert befinden sich der Ruheraum und die Terrasse. Die obenliegenden Verglasungen in den Saunas erlauben den Blick über die Ruhenden weg in die Landschaft und ins begleitende Grün des Baches. Abkühlung findet man im mittigen Kern mit den Erlebnisduschen sowie mit einem regelrechten Grotten-Abkühlbecken mit minimal dosiertem Oblicht. Auf diese Weise bildet der steinige Kern einen kühlen Kontrast zu den hölzernen Saunas. In der grosszügigen Zwischenzone bieten Fussbäder die Möglichkeit einer Ruhepause, dies mit Ausblick zum Pool bzw. in Richtung Dorf. Über einen separaten Treppenabgang gelangt man alternativ direkt ins Freie. Die wahre Abkühlung erhält man an der frischen Luft; idealerweise sogar mit Trettmassage-Kneipp-Bad im Küechlimoosbach. Ansonsten bietet dieses südwestorientierte Holzdeck zwischen den Hauptflügeln mit den Becken eine ideale Ruheterrasse, strassenabgewandt, gut besonnt und mit Blick zu den Bergen; dies auch für die normalen Badegäste, welche sich im Hot Pot unter freiem Himmel aufkochen lassen. Schiebeverglasungen erlauben einen Austritt ab dem Nichtschwimmer-Westflügel.
Das Bestreben ein Gleichgewicht zu bilden äussert sich auch in der konstruktiven Umsetzung: Ein Wechselspiel zwischen Beton, Appenzeller Holz und Glas - qualitätvolle, dauerhafte Materialien mit einem robusten Alterungsverhalten. Der Betonsockel reicht bis Oberkante der Sitzbank und führt auf dieser +40cm Höhe rund um das Gebäude. Diese Höhe bietet einen guten Feuchteschutz für die mit Vorvergrauungslasur behandelte Holzkonstruktion. Das Holztragwerk versteht sich als einachsig gespannte, auskragende Decke aus Zwillingsträgern. Die Zwillingsträger ruhen auf Paarstützen mit vergleichbaren Abmessungen, welche als aussenliegende, vor Witterung gut geschützte Tragstruktur zum fassadenprägenden Element werden. Träger und Stützen werden als Elemente im Werk hergestellt und auf der Baustelle auf statisch einfache Weise unsichtbar zu einem Rahmen zusammengesetzt. Die oben liegenden, 10cm starken Holzplatten werden entlang den Längsfugen biege- und schubfest zu einer Deckenscheibe verbunden. Rahmen und Deckenscheibe sind an den massiven Betonkern angeschlossen und sorgen gemeinsam für ein stabiles Gebäude. Die grosszügig auskragenden Decken schützen nicht nur das Tragwerk vor der Witterung sondern leisten auch einen wertvollen Beitrag zum sommerlichen Wärmeschutz. Als unteren Abschluss der hohen Glasfassade ruhen Sitzfenster auf dem Betonsockel. Diese Bank lädt ein zum Verweilen, liegen, entspannen; auch von hier geniesst man den Sichtbezug zum Hohen Kasten. Nebst diesem Wechselspiel von filigranen Zwillingstützen und Glas sucht die Materialisierung aber auch ganz bewusst den Ortsbezug mit den traditionellen Kassettenverkleidungen. Die seitlichen schottenartigen Wände werden als fein gegliederte kassetierte Flächen behandelt. Auf diese Weise lebt das windradartige Gebäude von einem steten Wechselspiel von geschlossen und offen. Einzelne Ausnahmen lockern dieses Thema auf, so z.B. das grosse Guckfenster zur Sitterstrasse hin, welches eine Vorfreude auf das baldige Badevergnügen wecken soll. Das weit ausladende Holzdach bildet schlussendlich ein subtiles horizontal betontes Gegengewicht zu den zahlreichen vertikalen Elementen - Equilibre.

Zürich, 28.06.2022