La Rochette II . Biel
Martina Bischof Architektin . photos: © Michael Sieber
Refurbishment of a listed former winery in Biel.
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Humor und Autonomie Die denkmalgeschützte Remise am Jurasüdhang wurde ursprünglich als Weinlager genutzt. Die Gesamtanlage besteht aus einem Haupthaus, der Remise und einem Stück Weinberg. Das Ensemble entwickelte sich über Jahrzehnte in mehreren Etappen und steht als Gesamtheit seit den 1960er Jahren unter Schutz. Die Arbeiten der in Zürich tätigen Architektin Martina Bischof sind subtil, eigenwillig und zeugen von einem autonomen Umgang mit der Substanz. Der Remise eine neue Nutzung zuzuschreiben, die eine gewisse Flexibilität im Hinblick auf weitere Nutzungsveränderungen in der Zukunft zulässt, war eine Herausforderung, die mit einfachen Planungsentscheiden, beispielsweise der Etablierung mehrerer Steigzonen oder der Klärung der Zugänge gelöst werden konnte. Weitreichend war die Entscheidung, die gesamte Tragstruktur zu wahren, gegebenenfalls zu flicken und definitiv zu exponieren. Das eröffnete für alle weiteren entwerferischen Fragestellungen den Raum für Präzision und Spiel: So entstanden in der zweiten Projektphase beispielsweise kontrastreiche Kompositionen von alter und neuer Tragstruktur. Ein weiteres Beispiel gilt dem reversiblen und beide Hausteile verbindenden Luftraum mit expressiver Geländerfigur oder die Interpretation einer Leuchte durch Einbeziehung einer lästigen Nische im Treppenaufgang. Ausserdem entstand ein verflixtes Unendlichkeitsspiel mithilfe von Spiegeln zwischen der Balkenlage im Wohngeschoss. Zu erwähnen sind ausserdem eine versteckt liegende Dusche im Flur mit ungeahntem Höhenerlebnis, figürlich interpretierbare Lukarnen auf dem Dach oder eine Serie eigenwilliger Einbauschränke. Über die Wiederverwendung von historischen Zementfliesen aus dem Bauteillager Münchenbuchsee wurde die Form des Rhombus sehr früh eingeführt, die im Wohnbereich unter anderem wieder zum Zuge kam. Hier werden die geometrische Figur durch die Anwendung einer historischen Lasurtechnik für Böden, welche früher Eichenkassetten auf Tannenböden imitierte – nun in weiss interpretiert. Ein Werk von Sol LeWitt inspirierte die Bodenmalereien der drei Zimmerböden und in der Werkstatt beeinflusste eine Illustration Tomi Ungerers die Farbgebung der Wände. Die Gartengestaltung und die zugehörige Detaillierung der Gartenfassade fassen das Projekt im Hang. Mein Anliegen gilt der Wahrnehmung bestehender Strukturen – seien es ältere oder jüngere. Mich interessiert, wie wir die Präsenz und die Relevanz des Bestandes in städtischen Kontexten, sozialen und politischen Räumen, aber auch im Hinblick auf nicht verhandelbare umweltspezifische Aufgaben in der Gegenwart wahren, nutzen und in unsere Zeit bringen. In diesem Sinne inspirieren mich kritische Gespräche und die Konfrontation mit grossartigen eigenständigen gestalterischen Ideen – und die Kunst. Ein Bestand muss durch die Eigenart der architektonischen Idee einerseits und unter Einfluss der Bedürfnisse der Zeit andererseits interpretierbar sein. So ermöglicht er eine Art des Weiterbauens, die durch Humor und Autonomie im Heute besteht. Eingefügt in eine übergeordnete Struktur soll sich ein Entwürf durch Eigenständigkeit behaupten und sowohl Nachhaltigkeit als auch Nutzbarkeit gewährleisten. Das Studium jener Bauten, Texte und Kunstwerke, die bei mir Begeisterung entfachen sind essenziell. Ich bin der Meinung, man sollte sich vor allem in einem frühen Entwurfsprozess nur mit Dingen befassen, die einen tief erfreuen und inspirieren. - Bauherrschaft: privat; Architektur und Bauleitung: Martina Bischof Architektin MSc ETH, Eglistrasse 8, 8004 Zürich; Chronologie: 2015–17; Fotografie: Michael Sieber, Zürich