KO/OK Architektur . photos: © Sebastian Schels . + baunetz
In the southwestern part of Tübingen lies the historically developed village center of Tübingen-Derendingen, which has grown as a street village. However, this district is undergoing change: old buildings are being renovated and/or repurposed, potential areas are being densified, or newly constructed. Here, in direct proximity to a church, an old school building, a listed bakery, and several historical agricultural buildings, stands a listed double barn built in 1806, featuring two large barn doors and two stable areas, right by the road. This simple economic building, which has been expanded with numerous sheds and extensions, has been repurposed into a multi-family house with four residential units, initiated by a private building community.
The new interior of this historical monument can only be glimpsed from the street at a second glance. The building’s exterior has been changed only slightly, preserving the character of the agricultural building. In the area of the former barn doors, vertical, untreated wooden slats cover much of the large glass surfaces. Only here does the view open up, especially in the evening hours, into the former barn, which is now living space.·
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Im Tübinger Süd-Westen liegt der historisch als Straßendorf gewachsene Ortskern von Tübingen-Derendingen. Doch der Ortsteil befindet sich im Wandel – Altbestand wird saniert und/oder umgenutzt, Potentialflächen nachverdichtet oder neu bebaut. Hier befindet sich, in direkter Nachbarschaft zu Kirche, altem Schulgebäude, denkmalgeschütztem Backhaus und mehreren historischen landwirtschaftlichen Gebäuden, eine denkmalgeschützte, 1806 errichtete Doppelscheune, welche mit zwei großen Tennentoren und zwei Stallbereichen, unmittelbar an der Straße steht. Das einfache und durch zahllose Schuppen und Anbauten erweiterte Ökonomiegebäude wurde, initiiert von einer privaten Baugemeinschaft, zum Mehrfamilienhaus mit 4 Wohneinheiten umgenutzt. Das neue Innenleben des Baudenkmals lässt sich von der Straße blickend erst auf den zweiten Blick erahnen. Die Gebäudehülle wurde nur wenig verändert, der Charakter des Landwirtschaftsgebäudes bleibt erhalten. Im Bereich der ehemaligen Scheunentore verdecken senkrechte naturbelassene Holzlamellen einen Großteil der großflächigen Verglasungen. Nur hier öffnet sich, vor allem in den Abendstunden, der Blick in die ehemalige Tenne, die nun Wohnraum ist. Öffnungen in den traufseitigen Sichtfachwerkbereichen bleiben aufs Nötigste beschränkt und treten lediglich als kleine Fenster und neue Stalltüren in Erscheinung. Sandstein- und Backsteinsockel wurden ertüchtigt und Instand gesetzt. Durch die ehemaligen Stalltüren wird das Gebäude betreten und der Zugang zu den vier Wohnungen organisiert. Sowohl die zwei Wohnungen im Sockel als auch die Wohnungen im Dach sind durch die überhohen Aufenthaltsbereiche mit eingestellten Emporen geprägt. Diese befinden sind in den ehemaligen, nun zweigeschossigen Tennen und im nun 2–3- geschossigen Dachraum und lassen diese gebäudeprägenden Räume, trotz hoher gebauter Dichte, auf besondere Weise nutzen und wahrnehmen. Technische und Materielle Umsetzung / Maximale Wiederverwendung von Materialien: Zielsetzung war es die Hülle des Gebäudes weitestgehend unberührt zu belassen und die Sockel behutsam zu sanieren. Dennoch musste das gesamte Bauwerk unterfangen und neu gegründet werden. Oberste Prämisse war es, möglichst viele der vor Ort vorgefundenen Hölzer einer ehemaligen Wagnerei als Reparaturstücke weiterzuverwenden und das Gebäude auf eine einfache und der ursprünglichen Bauzeit angemessene Bauweise, zu ertüchtigen. Hölzernes Tragwerk erhalten, Neues additiv und in Holz ergänzen: Das gesamte hölzerne Tragwerk des Gebäudes samt dreigeschossigem Dachstuhl, wurde mit hohem handwerklichem Aufwand und Können behutsam ertüchtigt und ist auch nach der Umnutzung in allen Gebäudeteilen sichtbar erhalten. Neue Decken-, Dachschalungen und zusätzliche Bauteile wurden additiv aus heimischen, massiven Nadelhölzern ergänzt, bestehende und neue Hölzer mit klassischen zimmermannsmäßigen Verbindungen hergestellt. Fast alle Fehlstellen und abgängigen Fachwerkbestandteile konnten mit vor Ort befindlichem Altholz, welches in Teilen bereits in der dritten oder vierten Generation verbaut wurde, ertüchtigt werden. Die Gefache wurden, wo nötig, mit Lehmsteinen ergänzt. Alte und neue Gefachfüllungen wurden außenseitig mit einem Hanf-Kalkputz ohne weitere Beschichtung versehen. Im Inneren kam ein Kalk-Dämmputz zum Einsatz. Das Gebäude wurde als „Effizienzhaus Denkmal“ realisiert. Dennoch wurde auf eine Technisierung verzichtet. Diffusionsoffenheit und Sorptionsfähigkeit der eingesetzten Materialien Lehm, Kalk und Holz puffern und leiten Feuchtigkeit und sorgen für ein angenehmes Raumklima. Das Projekt versucht in vielen Facetten zu zeigen, wie ein zeitgemäßer Umgang mit denkmalgeschützten Bestandsstrukturen funktionieren kann. Der Fokus lag zum einen auf einer einfache und materialgerechten Ausführung und Detaillierung, der maximalen Wiederverwendung von Altem und der möglichen Zirkulierbarkeit eingesetzter Materialien. Gleichzeitig wurde suffizientes Wohnen im Bestand realisiert. Viele in aktuellen architektonischen Diskursen lediglich als oft leere Worthülsen kultivierte Begrifflichkeiten um Zirkularität, Lokalität, Suffizienz im angemessenen Umgang mit Bestand wurden versucht in diesem Projekt, trotz sehr begrenztem Budget, Corona und schwankenden Baupreisen, zu bearbeiten.