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Loewensberg Gross Ghisleni

penitentiary center . Hinwil

CLEA GROSS ARCHITEKTEN . Gret Loewensberg Architekten . Ghisleni Partner . photos: © Seraina Wirz

Das bestehende Vollzugszentrum Bachtel bei Hinwil (Kanton Zürich) wurde neu strukturiert und erweitert. Der Entwurf von Gret Loewensberg und Clea Gross Architekten ist behutsam in die noch intakte, ländliche Umgebung eingebettet.

Die ursprüngliche «Korrektionsanstalt» für Jugendliche, die Ende des 19. Jahrhunderts vom Kanton Zürich gegründet wurde, liess sich etwas abgelegen auf dem ehemaligen Gelände eines Hofs in Ringwil beim zürcherischen Hinwil nieder.
Das Vollzugszentrum Bachtel (VZB) ist heute eine auf den offenen Vollzug von Freiheits- und Ersatzfreiheitsstrafen spezialisierte Institution der Vollzugseinrichtungen Zürich. Die bisherige Kapazität von 64 Plätzen konnte durch die Erweiterung um dreissig Plätze erhöht werden. Die inhaftierten Personen arbeiten in verschiedenen Werkstätten und im landwirtschaftlichen Bereich.
Im Zuge der Erneuerung wurde die bestehende, in die Jahre gekommenen Anlage, neu strukturiert und erweitert.

Eingebettet in die Landschaft
In einem Projektwettbewerb, für den sich 2014 sechs Generalplaner qualifizierten, entschied sich die Jury einstimmig für den Projektbeitrag «Das Gehöft» der ARGE Loewensberg Gross Ghisleni.
Das prämierte Projekt nimmt feinsinnig Bezug auf die idyllisch ländliche Umgebung des Vollzugszentrums, das an einem Südwesthang auf grosse Züge von Wald und Wiesenabschnitte ausgerichtet ist.
Das Architektenteam ordnete die Anlage neu als Weiler, mit aufeinander bezogenen, aber doch im luftigen Abstand zueinander stehenden Gebäuden. Gemeinsam bilden sie eine Art Gehöft.
Zentrales Element der bestehenden Anlage war eine identitätsstiftende, grosse Scheune, welche im Konzept des Wettbewerbsbeitrages durch einen Umbau erhalten werden sollte. In der weiteren Planung des Bauvorhabens scheiterte das Umbauen der Scheune an Sicherheitsmängeln und betrieblichen Anforderungen.
Stattdessen ersetzt nun ein Neubau, in der dieselben Funktionen wie Wäscherei, Arbeits- und Mehrzweckräume angesiedelt sind, die alte Scheune.
Auf der Nordostseite setzt der neue Insassentrakt mit 52 Plätzen, organisiert auf zwei Ebenen links neben dem bestehenden Insassengebäude aus den 1960er-Jahren an. Daran folgt das neue Triage- und Besuchergebäude. Hangabwärts ist ihm das bestehende Verwaltungsgebäude vorgelagert.
Gegenüber dem neuen Insassengebäude begrenzt der neue zweigeschossige Einzelbau mit Arbeits- und Mehrzweckräumen den kleinen trapezförmigen Anger.
Parallel dazu, talseitig und etwas nach unten gerückt, schliesst sich der neue abgewinkelte Arbeits- und Gewerbetrakt mit eingeschossigen Werkstattgebäuden an.
Nach Westen und Norden begrenzen Stallungen und eine Remise die Anlage .

Regionale Formensprache
Aus der Entfernung lässt das eher ein bäuerliches Anwesen als eine Vollzugsanstalt vermuten. Bis auf die notwendigen Sicherheitsanlagen und Zäune ist sie nicht als solche erkennbar.
Inspiriert von der Typologie der regionalen Bauernhäuser bezogen die Architektinnen die Formensprache von Ökonomiegebäuden auch in ihre Fassadengestaltung mit ein.
Die über 56 Meter lange Hauptfassade des neuen Insassengebäudes orientiert sich mit seinen beiden Zugängen zum mittigen Hartplatz. Auf der Rückseite wird die Teilung in zwei Wohntrakte sichtbar, welche sich u-förmig mit zwei trapezförmigen, zugänglichen Höfen nach Nordosten öffnen. Pro Trakt sind 18 Einzelzimmer (vier davon rollstuhlgängig im Erdgeschoss) und vier Doppelzimmer eingepasst, die mit Küche und Aufenthaltsräumen im Erdgeschoss die heutige Praxis des offenen Vollzugs sehr gut zum Ausdruck bringen.
Die Räume sind ihrer Nutzung entsprechend zweckmässig und solide ausgestattet.

Freundlicher Ausdruck
Die tragende Betonkonstruktion wurde fassadenseitig mit einer Holzschalung verkleidet. Die Perforationen in der Erdgeschosszone und im Dachstock nehmen Stilelemente ländlicher Ökonomiegebäude auf, wie man sie von durchlüfteten Scheunen kennt. So verweisen auch die Gitter vor den Fensterflügeln mehr auf ein Spaliergitter, als auf die Sicherung eines Gefängnisses. Mit den grossen Fenstern und der bewegten Dachkante nähert es sich im Ausdruck sogar einem freundlichen Wohngebäude.

Die verschiedenen Nutzungen der Einzelbauten verlangten unterschiedliche Anforderungen an die Sicherheit. So konnten das lange, in der Mitte leicht abgewinkelte Gewerbegebäude und die Remise bis auf das massive Sockelgeschoss als reine Holzbauten erstellt werden.
Die Erweiterung des Vollzugszentrums Bachtel kann auch hinsichtlich seiner Öko- und Energiebilanz als vorbildliches Beispiel im anspruchsvollen Sektor «Bauen für die Sicherheit» honoriert werden.

Text: Sibylle Hahner
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